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Saal 600: Geschichte wird zur Geschichte

Verantwortlicher Autor: Stefan Siedler Nürnberg, 22.02.2020, 16:24 Uhr
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Der Saal 600 - ab 15:30 Uhr Ortszeit ein Museum
Der Saal 600 - ab 15:30 Uhr Ortszeit ein Museum  Bild: Stefan Siedler

Nürnberg [ENA] Wir schreiben Donnerstag, den 20.02.2020 – 15:30 Uhr Ortszeit. Mit den Worten „die Sitzung ist hiermit geschlossen“ wird Geschichte selbst zur Geschichte. Da ist es ja fast nebensächlich, dass im Namen des Volkes der (mehrmals vorbestrafte) Angeklagte zu 2 Jahren und 9 Monaten verurteilt wird,

weil Georg L. seiner damaligen Ehefrau Kerstin mit 4,1 Promille an den Hals ging und ihr im Nachgang einen Schneidezahn ausschlug. Die vorsitzende Richterin Barbara Richter-Zeininger nahm auch Gelegenheit, den Ermittlern am Tatort für ihre Tatortbegehung eine Rüge zu erteilen. Dies tat sie mit lauter Stimme, anderes blieb ihr auch nicht übrig, da sich die Lautsprecheranlage an diesem letzten Tag vorzeitig im Museumsmodus befand und ausfiel.

Nein, hauptsächlich ging es darum, dass in dem Raum in den Jahren 1945-1949 Welt-Geschichte geschrieben wurde. Alle Welt blickte gespannt auf die Nürnberger Kriegsverbrecher-Prozesse der Nazis. Kläger und Opfer verfolgten das Geschehen vor Ort und in den Medien. Willy Brandt war da ein noch unbekannter Reporter der damaligen Geschehnisse. Dabei wurde der Ort nicht deshalb ausgewählt, weil es sich um die Stadt der Reichsparteitage handelt, sondern nur deshalb, weil es im zerstörten Nachkriegsdeutschland der einzige Ort war, an dem noch einigermaßen ein Gerichtssaal mit anliegendem Gefängnis vorhanden war. Im Nachhinein wurden die Verhandlungen als Vorläufer des Weltgerichtshofes bezeichnet, der schließlich in Den Haag seinen Sitz fand.

Der historischen Verantwortung stellte sich Nürnberg eine ganze Zeit lang nicht. Erst in den letzten 25 Jahren bewegten sich die Stadtoberen, dieser dem zu stellen. Es entstand daraus das heute sehr gut angenommene Doku-Zentrum auf dem Reichsparteitag-Gelände, und als die Besucheranfragen vor der Tür des Ostbaus häuften, beschlossen sie auch ein Museum hier einzurichten. Bestandteil des Museums war notwendigerweise auch der berüchtigte Saal 600. Nur, dieser wurde eben auch für normale Verhandlungen genutzt. Bis gestern jetzt nicht mehr. Der Neubau ist diese Tage bezugsfertig, Sitzungen müssen jetzt nicht länger dort abgehalten werden und einer musealen Nutzung steht jetzt nichts mehr im Weg.

Wer einen Blick auf die Bilder der Kriegsverbrecherprozesse wirft, wird sich mit dem jetzigen Saal nicht gleich zurecht finden. Für diese Prozesse wurde nämlich die Sitzordnung durcheinander gebracht. Wo bis vor kurzem das Hohe Gericht saß, befanden sich damals die Dolmetscher, das Tribunal selbst saß an der verdunkelten Fensterreihe gen Süden. Der Besucheransturm damals war auch so enorm, dass Wände rausgerissen werden mussten, um dem gerecht zu werden. Solch ein Rückbau wie in den 40er Jahren ist allerdings nicht geplant. Für mehr Infos rund um den Schauplatz findet der Wissbegierige auch unter https://museen.nuernberg.de/memorium-nuernberger-prozesse/

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